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Dieser Arschtritt war nötig - Die späte Erkenntnis

Das Gespräch mit meiner Freundin hat mir wirklich gut getan. Es hat mich wirklich mal wieder insofern gefordert, dass ich nachgedacht habe und zu einigen Erkenntnissen gekommen bin.

Zum Teil ist es mir schon fast peinlich dies nun offen zu sagen, aber ich denke, dass es sich in meinem Kopf festigt, wenn ich es hier so offen schreibe und ich es lila auf weiß nachlesen kann, um mich zu ermahnen, falls ich mal wieder drohe, rückfällig zu werden.

 

In gewisser Weise war es nicht nur das Gespräch, sondern auch ein Zusammenspiel aus mehreren aktuellen Ereignissen, die mir die Augen geöffnet haben. Aktuell steht es ziemlich schlecht um die Gesundheit meiner Oma und wir wissen nicht, was in Zukunft wird. Ob es wieder besser wird oder sie im schlimmsten Szenario, ein Pflegefall bleiben wird. Ich selbst halte mich eigentlich immer für sehr schwach und stelle mich selbst immer unter den Scheffel. Auch wenn andere sagen, dass ich doch eigentlich eine starke Persönlichkeit bin, dann habe ich das immer belächelt und es abgestritten. Doch gerade merke ich, wie stark ich doch wirklich bin. Denn trotz der schlimmen Situation mit meiner Oma und natürlich auch einhergehend mit der schlechter werdenden Psyche meiner Mum, behalte ich derzeit einen klaren Kopf und kann mit all dem gut umgehen. Ich habe auch bemerkt, dass mein Onkel, welcher bereits in Rente ist und der sich hauptsächlich um meine Oma kümmert, total überfordert mit allem ist, was sich unter anderem darin zeigt, wie gereizt er ist und wie sehr er manche Worte die man sagt auf die Goldwaage legt, ohne zu sehen, dass man es gut meint. Er war derjenige der bis vor kurzem gar nicht wahr haben wollte, wie schlecht es meiner Oma geht. Auch hielt er es lange für ausreichend, meine Oma einfach nur zu den Ärzten und Terminen zu kutschieren. Er redete nie mit jemandem, so dass wir nie wirklich wussten was jetzt genau Sache ist. Erst seine Überforderung hat mir selbst gezeigt, dass ich doch stärker bin als ich dachte.

 

Auch wenn ich mir wahnsinnig Sorgen um meine Oma mache, so kann ich dennoch wahnsinnig gut mit der Situation umgehen. Ich konnte außerdem einige nützliche Beobachtungen machen und mir schon mal einige Gedanken machen, wie wir die Probleme, falls sie weiter bestehen sollten, lösen können.

Das ist aber nur ein kleiner Teil von dem was mir klar geworden ist. Der andere Teil, der gleichzeitig auch der etwas unangenehmere ist, ist wohl auch der Teil mit der schmerzvollsten Erkenntnis.

 

Dazu muss ich ein wenig weiter ausholen. Als ich meine letzten Therapiestunden im vergangenen Jahr hatte, war das letzte was mir mein Therapeut mitgegeben hatte folgendes:

 

Wenn ich mal wieder eine depressive Phase habe, dann soll ich mich nicht noch mehr dort hineinsteigern, sondern es einfach hinnehmen. Ich soll mir einfach denken, dass es ebenso ist, ich es mir auch mal erlauben darf, ohne mich selbst unter Druck zu setzen, indem ich denke, dass ich sofort wieder da raus will.

 Denn solche Phasen hat jeder Mensch mal, aber sie vergehen auch wieder und das geht eben noch schneller, wenn man sich nicht selbst weiter stresst.

 

Das ist ein sehr guter Ratschlag und das dies so ist, will ich in keinster Weise abstreiten, wenn man es richtig Handhabt... So weit, so gut. Es lief lange Zeit sehr gut mit dieser Einstellung die ich mir wirklich verinnerlicht hatte. Doch dann habe ich begonnen, es zu übertreiben. Ich habe es einfach zu locker gesehen und habe nicht bemerkt, wie ich vieles was ab da geschehen ist, immer wieder auf meine Krankheit geschoben habe. Es wurde regelrecht zur Gewohnheit.

 

Ich schaffe den Haushalt nicht! - Klar, das sind die Depressionen.

Ich komm mit meinem Arsch nicht aus dem Bett! - Depression.

Ich habe Schmerzen und das zieht mich runter! - Natürlich, die Depressionen.

 

Jede noch so schlechte Verhaltensweise, wurde von mir mit meiner Krankheit entschuldigt. So sehr, dass ich irgendwann gar nicht merkte, dass ich selbst begann mir vieles selbst einzureden. Ich merkte nicht, dass die wirklich depressiven Schübe eigentlich gar nicht mehr in dem Ausmaß präsent waren, wie sich es mir immer darstellte. Es war teilweise wirklich zur Faulheit geworden. Das, was mir viele unwissende Leute früher unterstellten, ist nun zur Realität geworden. Jetzt liegt es an mir, dagegen etwas zu tun.

Und zwar so, dass ich mich langsam wieder an meine neue "Freiheit" gewöhnen kann. Und zwar mit so viel Selbstachtung und Blick auf die Selbsterkenntnis, dass ich lerne selbst zu erkennen, wann es sich wirklich einmal um depressive Schübe handelt und wann es einfach nur mal wieder der innere Schweinehund ist, der keinen Bock hat und eine Ausrede sucht.

 

Das heißt, es kommt einiges an Arbeit auf mich zu. Diesmal werde ich mir vorher genau überlegen, wie ich das angehen werde und zwar so, dass nicht mehr die Gefahr besteht, dass ich wieder komplett rückfällig werde. Langsam, Schritt für Schritt und alles in einem machbaren Rahmen, so dass ich nicht in die eingebildete Überforderung komme. Ich mein, es ist schließlich viel leichter, sich selbst oder von anderen einreden zu lassen, dass man noch nicht so weit ist, verschiedene Situationen meistern zu können. Ich will etwas nicht, also kommt irgendeine krankhafte Ursache doch gerade recht. Die eigene Einbildungskraft ist also sehr stark am eigenen Zustand beteiligt, zumindest ist es bei mir so.

 

Ein Charakterzug von mir ist, dass ich extrem Stur sein kann und wenn ich mal ehrlich bin, dann habe ich in meinem Leben nur auf Grund von Sturheit und Trotz, einige Dinge getan, die mir im weiteren Verlauf meines Lebens einiges versaut hat. Ich merke immer wieder, dass es Situationen gibt, wo ich mir im Nachhinein denke, dass es wirklich nicht nötig war, wie ich da gehandelt habe.

 

Aufgrund dessen, dass ich in meinen vergangenen Blogs so oft an diesem Punkt war, wo ich so euphorisch und der festen Überzeugung war, dass es nun Bergauf geht, ist dieser Eintrag für viele wahrscheinlich ziemlich lächerlich und unglaubwürdig. Ich sehe es selbst unter einem gewissen Vorbehalt, denn zu oft habe ich den Fehler gemacht, und es wie in vielen anderen Dingen zu übertreiben. Diesmal möchte ich es einfach richtig machen und keinen wirklichen Absturz riskieren. Vielleicht brauche ich wirklich mal öfters so einen kleinen Arschtritt, wenn ich wieder drohe nachlässig zu werden. Ich will mit diesem Eintrag nicht sagen, dass meine Krankheit komplett überwunden ist, das wäre eine Lüge, denn ich weiß, dass Leute mit psychischen Erkrankungen ein Leben lang achtsam sein müssen.

 

Ich glaube ich habe in den letzten 24 Stunden so viel nachgedacht und einiges über mich selbst gelernt wie in Jahren nicht. Was bisher auch total an mir vorbei gegangen ist, ist die Tatsache, dass ich nun schon seit fast einem Jahr schon keine Panikattacke mehr hatte. Ich kann gar nicht sagen wann die letzte war. Ich habe mich in der letzten Zeit wieder so sehr in Selbstmitleid gesuhlt, dass ich allen zeigen musste, wie schlecht es mir doch geht, so dass ich sicherlich auch einige Male ziemlich übertrieben habe. Nicht aus böswilliger Absicht, sondern weil ich es mir so lange selbst eingeredet habe, dass ich es irgendwann selbst geglaubt habe. Ich wollte dass es mir schlecht geht. Ich wusste glaub ich gar nicht mehr wie glücklich sein funktioniert und wie viel Spaß so etwas Einfaches wie Hausarbeit machen kann.

 

Nochmal zurück zu meiner Euphorie. Dieses Mal ist es ein komplett anderes Gefühl. Ich weiß nicht ob ich in der Lage bin es zu erklären, so dass man sich das vorstellen kann. Es fühlt sich an, als hätten viele kleine Blockaden in meinem Kopf gesteckt. Und zwar an verschiedenen Stellen. Es ist, als wäre ich die letzten Jahre blind gewesen und jetzt kann ich plötzlich wieder sehen. Ich sehe den Dreck in den Ecken, die Unordnung auf vielen Plätzen aber vor allem sehe ich mich selbst wieder. Mir fällt es auf einmal wieder leicht, einen Berg von Arbeit schnell zu überblicken und sofort eine Abarbeitungsstrategie auszuklügeln. es ist, als ob mein altes ich nur geschlummert hätte und langsam wieder erwacht. Stressige Situationen überblicke ich mit Ruhe und Sorgfalt und finde nach reiflicher Überlegung einige Lösungsstrategien. Ich habe das Gefühl, als hätte ich sogar mein Schreibstil ein kleines bisschen gewandelt.

 

Ich meine mich erinnern zu können, dass ich an so einer ähnlichen Etappe schon einmal war. Das ist allerdings schon einige Jahre her, damals hatte ich mich durch eine unvorhergesehene Sache vollkommen aus der Bahn werfen lassen. Damals hatte ich sogar super abgenommen gehabt und war meinem Zielgewicht sehr nahe, doch nur ein lächerlicher Streit mit meinem Schwager, hat mich wieder vollkommen aus der Bahn geschmissen.

Ich habe wieder doppelt und dreifach zugenommen, Depressionen standen wieder an der Tagesordnung und damals sind Panikattacken hinzugekommen. Schätzungsweise sind seitdem etwa 5 Jahre vergangen. So lange schlage ich mich schon wieder mit dem Mist rum. Damals hatte ich sogar ein Fernstudium angefangen um mir beruflich neue Chancen zu eröffnen. Und nur eine winzige Sache, ein kurzer Augenblick der Unachtsamkeit hat mich wieder zu dem psychischen Frack werden lassen, der ich die ganze Zeit war.

 

Auch wenn es vielleicht so klingt, als würde ich mich hier selbst geißeln und nieder machen, so ist es nicht. Ich habe absolut keine schlechte Meinung wegen dem allen von mir. Ich sehe einfach nur ein, dass ich einen Fehler gemacht, ihn jedoch selbst erkannt und eingesehen habe. Es ist schon etwas wahres dran:

 

Man ist seines eigenen Glückes Schmied.

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